Stillen
Auf dreifache Weise verbindet sich das Neugeborene unmittelbar nach der Geburt mit der Welt: Durch die Sinneseindrücke - durch die Atmung - durch die Nahrungsaufnahme.
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Hilfestellung beim Anlegen des Kindes
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Oberster Grundsatz bei der Hilfe zum Anlegen ist es, so wenig wie möglich Mutter und Kind beim Sich-Finden zu stören. Neugeboren kann das Baby die Brust selbst finden (intuitives Stillen). Es hat die Fähigkeit ohne Hilfe die Brust zu erfassen und korrekt anzusaugen. Wenn es zeigt, dass es einer Unterstützung bedarf kann die Hebamme oder eine Stillberaterin zur Seite stehen. Zunächst findet die Mutter eine bequeme Stillposition. Diese kann durch ein Stillkissen oder anderes Lagerungsmaterial erleichtert und stabilisiert werden. Das Kind wird an die Brust gelegt, keinesfalls im Nacken oder am Kopf an die Brust gepresst.
Vielmehr beobachtet die Hebamme oder die Pflegerin Mutter und Kind aus gebührender Entfernung, um aus der Ruhe ihrer Wahrnehmung gezielte Hinweise zu geben, wenn die Lage oder die ängstliche Scheu der Mutter den Weg des Kindes an die Brust verstellen. Diese wahrnehmende Rolle der Stillberaterin ist besonders wichtig, wenn der Säugling ungestüm, vielleicht vor Hunger schreiend, sich selbst im Wege zur Quelle steht. Wichtig zu beachten ist, dass der Säugling die Brustwarze gut erfasst und die Mammille fest umschlossen, die Unterlippe nach außen gewölbt, einsaugt.
Die Stillposition kann immer wieder gewechselt werden, damit, zum Schutz vor Rhagaden, die Brustwarze gleichmäßig belastet wird. (siehe Saugverwirrung und Mastitisprophylaxe). Normalerweise wird dem Kind, wenn eine Brust leergetrunken ist, auch die andere angeboten. Damit wird die Milchbildung optimal stimuliert. Sollte die Milchbildung trotzdem nicht ausreichend sein, kann durch nochmaliges Anlegen der ersten Seite oder durch häufigeres Stillen nachgeholfen werden. Bei zu starker Milchbildung wird nur eine Brust angelegt, die andere wird behutsam mit der Hand entleert.
Die größte Menge Muttermilch wird in den ersten 4-5 Minuten getrunken. Trotzdem kann eine Stillmahlzeit je nach Temperament und Trinkverhalten den Kindes von unter 5-7 Minuten bis zu einer Stunde dauern (Erfahrung mit meinen eigenen Kindern). Wenn das Kind entscheidet wie lange es an der Brust trinkt, sind Hunger, Saugbedürfnis und Nähe Bedürfnis des Kindes zur Mutter gestillt.
Alternative Fütterungsmöglichkeiten
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Wenn der Säugling nicht ausreichend trinkt, kann die zusätzliche Gabe von Nahrung erforderlich sein. Werden dabei Trinkflaschen mit gewöhnlichem Sauger eingesetzt, kann der Säugling ein Saugverhalten ausbilden, das sich vom Trinken an der Brust erheblich unterscheidet. Dies kann zur Folge haben, dass das instinktiv richtige Saugverhalten an der Brust aufgegeben wird.
Wegen des nun ineffektiven Saugens wendet sich das Kind frustriert von der Brust ab und der "spendableren" Flasche zu (Untersuchungen zeigen, dass dies bei ca. 1/3 der Säuglinge vorkommt und nur bis zur 6. Lebenswoche). Dem kann vorgebeugt werden, indem statt mit der Trinkflasche, Muttermilch oder andere Säuglingsersatznahrung (z.B. Stutenmilch) mit einem kleinen Löffel, einem Becher oder Glas mit gewölbtem Rand gegeben wird.
Der Erwachsene hält das Kind auf dem Schoß und bietet eine kleine Menge an. In der Regel nimmt der Säugling die Flüssigkeit gerne und ohne sich zu verschlucken auf. Das natürliche Saugverhalten wird dadurch nicht beeinträchtigt. Beim Einsatz des Brusternährungssets macht das Kind die Erfahrung, dass es an der Brust gesättigt wird, auch wenn ein Teil der Nahrung noch von außen dazu kommt.
Ein weiterer Vorteil dieser Methode ist, dass durch das Saugen an der Brust, die Milchbildung gleichzeitig stimuliert wird. Falls über längere Zeit das Trinken an der Brust nicht möglich ist, braucht der Säugling einen Flaschensauger. Bei der Wahl ist darauf zu achten, dass er in Form und Angebotsmenge der Brust möglichst verwandt ist.
Muttermilch - Stutenmilch - Milchersatz
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Muttermilch ist die optimale Säuglingsernährung. Dies ist heute inzwischen wieder zum Allgemeinwissen geworden. Die Muttermilch passt sich in ihrer Zusammensetzung während der gesamten Stillzeit optimal an die Bedürfnisse des Säuglings an. Das Gestillt-Werden ist für den Säugling eine Quelle des Vertrauens und der Geborgenheit. Für die Mutter ist das Stillen eine bedeutende Beziehungsschulung. Frische Muttermilch ist keimfrei und wirkt antibakteriell.
Muttermilch ist sicher vor industrieller Kontamination. Sie unterstützt den noch schwachen Immunschutz des Säuglings und ist in allen Lebenslagen bequem und in der richtigen Temperatur verfügbar. Muttermilch ist die kostengünstigste Ernährungsform. Sie benötigt weder Verpackung noch Transportwege und ist somit ein Beitrag zum aktiven Umweltschutz. Darüber hinaus ist Muttermilch eine hervorragende Hautpflegesubstanz. In wenigen Fällen ist das Stillen aus medizinischen oder sozialen Gründen nur teilweise oder gar nicht möglich. Als Ergänzung oder als Ersatznahrung ist die Stutenmilch besonders geeignet. Sie kommt der menschlichen Milch in ihrer Zusammensetzung am nächsten. Der deutlich geringere Fettanteil wird durch ein Öl ersetzt
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Inhaltstoffe: Eiweiß - Kohlenydrate - Fett - Mineralstoffe
Muttermilch: 1,2 - 7,1 - 4,0 - 0,2
Stutenmilch: 2,2 - 6,2 - 1,5 - 0,42​
Kuhmilch: 3,45 - 4,8 - 3,8 - 0,73​
Angaben für reife Milch in g/100 ml
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Stutenmilch besitzt eine wesentlich geringere Allergenität als Kuhmilch, weshalb sie auch für Allergiker besonders geeignet ist. Im Falle einer Sensibilisierung ist eine Diät unter Ausschluss von Stutenmilch problemlos möglich.
Kostaufbau - Abstillen
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Durch das Stillen bleibt der Säugling körperlich mit der Mutter verbunden. Beide teilen Nähe, Wärme und Stimmungen in größter Unmittelbarkeit. Langsam aber stetig wendet sich die Aufmerksamkeit des Kindes nach außen. Seine Sinnestätigkeit und seine Bewegungen beginnen sich auf ein Ziel zu richten. Die Aufnahme von Nahrung aus der Pflanzen- und Tierwelt ist die natürliche und konsequente Fortsetzung dieser Öffnung und Auseinandersetzung. Mit ca. sechs Monaten ist die körperliche und seelische Entwicklung so weit vorangeschritten, dass die Muttermilch schrittweise durch andere Nahrung ergänzt wird.
Der richtige Zeitpunkt zum Abstillen nähert sich, wenn bei der Mutter das Bedürfnis wieder erwacht, unabhängiger vom Kind zu werden. Meist zeigt zur gleichen Zeit der Säugling ein großes Interesse, wenn andere Menschen essen, die ersten Zähne kommen. WHO und UNICEF empfehlen, bis zum vollendeten 6. Lebensmonat das Baby ausschließlich mit Muttermilch zu ernähren. Danach soll mit dem Kostaufbau begonnen werden. Wenn es für Mutter und Kind gut ist, kann bis in das 2. Lebensjahr hinein bzw. darüber hinaus gestillt werden.
Oftmals geht der Impuls zum Abstillen vom Säugling aus, wenn er an neuer Kost Geschmack gefunden hat oder Interesse für das entwickelt, was Eltern oder Geschwister essen. Das Baby kann den Kostaufbau ohne Breikost selbst in die Hand nehmen, indem es im Konzept des „Baby Led Weaning“ Nahrung angeboten bekommt und selbständig isst.
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Immer bedeutet das Abstillen, dass ein neues Verhältnis von Mutter und Kind entstehen muss. Der Übergang von der Brust- zur Kleinkindernährung kann durchaus ohne Flasche erfolgen, weil Flaschentrinken oftmals das Säuglingsverhalten bis in die ersten Lebensjahre hinein verlängert. Das Kind kann schon früh ein kleines Glas selbst halten. Daraus kann es Getränke oder auch verdünnten Brei trinken. Zwar braucht das Erlernen des Umgangs mit dem Glas zunächst etwas mehr Geduld, bald wird das Kind sich daran freuen, dass es wie die Erwachsenen selbständig aus dem Glas trinken kann. Den Eltern bleibt das Abgewöhnen der Nuckelflasche, von der sich die Kinder oft ungern trennen, erspart.
Babyfreundliche Geburtskliniken orientieren sich an den „10 B.E.St. - Kriterien“.
Dort wird u.a. gefordert auf Beruhigungs- und Flaschensauger zu verzichten.